Moskau am Abend des 10.10.2015
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13. Kongress der MAPRJAL, 13.-20. September, Granada, Spanien


 Der Kongress des Internationalen Russischlehrerverbandes fand in Granada statt und wurde von etwa 1100 Teilnehmern aus 65 Ländern besucht. Österreich wurde durch den Schreiber dieses Berichts repräsentiert; am Kongress nahmen außerdem Vertreter der Wirtschaftsuniversität Wien (Prof. Renate Rathmayr), der Universitäten Graz (Prof. Heinrich Pfandl), Innsbruck (Prof. Wolfgang Stadler) und Salzburg sowie die FH Eisenstadt (Prof. Anatolij Berdicevskij) teil. Die Universität Wien entsandte niemanden. 

Das offizielle Programm begann am 15.9. mit der Begrüßung durch Prof. Rafael Guzman-Turado, dem Chef des Organisationskomitees.

Die Präsidentin der MAPRJAL, Ljudmila Verbickaja, 
referierte über die Entwicklung des Russichunterrichts in der Welt. Neben der Feststellung, dass es 1 Million Russischlernende außerhalb des Territoriums der ehemaligen Sowjetunion gibt, fiel mir auf, dass zweimal darauf hingewiesen wurde, dass es in Österreich einen Anstieg der Zahl der Russischschüler und –studenten gibt. 

Nach mehreren Grußworten führte Verbickaja in ihrem Grundsatzvortrag weiter aus, dass in der Welt zur Zeit etwa 300 Millionen Menschen Russisch sprechen, davon 160 Muttersprachler, 120 Millionen nutzen Russisch als „Umgangssprache“. Sie ging auf ihr Lieblingsthema ein, die Erhaltung einer „reinen und authentischen russischen Sprache, in der der Sprecher statt Fremdwörtern russische Äquivalente verwenden sollten:
Statt: консенсус   согласие
Бизнесмен  предприниматель
Толерантность  терпимость
Стагнация  застой
Импонировать нравитсья
Инвестинровать вкладывать
Секьюрити  охрана
Wie andere auch beklagt sie, dass Russland kein „lesendes Land“ mehr sei.

Aneta Pavlenko von der Universität Philadelphia, USA
wies darauf hin, dass Russisch als Fremdsprache den Charakter einer Ware trägt. Sie stellte fest, dass die Sprachenpolitik aus den Händen der Politiker in die Hände der Ökonomen übergegangen sei.

Von den 800 avisierten Vorträgen und 8 „Runden Tischen“ konnte ich naturgemäß nur eine recht eingeschränkte Anzahl besuchen.
Vasil´eva Inna (MGU) sprach beispielsweise über die Russische Literatur am Anfang des XX Jh. und die christliche Tradition
(Невидимый Град Китеж bei Прижвин Клюев
Женская суть России/царь-батюшка)

Arias-Vachil Marina   (Institut Gor´kogo, Moskau) über Spanische Motive russischen literarischen Silbernen Zeitalter (serebrjanyj vek)
(Бальмонт:  Мы европейцы, не можем жить без Дон Кихота и Дон Жуана 
Дон Жуан – символ любви, неуязвим)

Kolysheva Elena (Moskau) über die Rekonstruktion des Orginialtextes von Michail Bulgakovs „Master i Margarita“

Die Forscherinnen Krause, Erofeeva und Post-Marchier stellten ihre Forschungen zum Thema Literatursprache – Regiolekt und Dialekt vor.

Moore Irina (Wolverhampton) referierte über ihr Konzept der „Linguistischen Landschaft im postsowjetischen Raum", z.B. über die Entsowjetifizierung, die mit einer Entrussifizierung verbunden ist.

Anna Golubeva (St. Petersburg, Verlag Zlatoust) beleuchtete die statistischen Zahlen in Verbindung mit dem Russischunterricht
5% in Europa lernen Russisch, 2-3 % können es verwenden.
Die Motive für die Wahl der Sprache sind 
-    Die Möglichkeit im Ausland zu arbeiten
-    Beruf
-    Studium
-    Tourismus

Tat´jana Prochorova (Kazan´) stellt neue Tendenzen in der russischen Prosa vor:
Ihrer Meinung nach spielen darin „Brands“, also Marken eine besondere Rolle (Pelevin, Generation P), die Welt selber wir häufig als „Kopie“ dargestellt: Der Kopierer ist keine Maschine, sondern ein Weltmodell (homo sapiens – homo zappiens).

Kira Gordovič (St. Petersburg) widmete sich der „Beichte“ als Genre der russischen Prosa.

Von großer Bedeutung für mich war der „Runde Tisch“ mit dem bedeutenden russischen Schriftsteller Aleksej N. Varlamov (Autor u.a. der Romane „Loch“ und „Myslennyj volk“)
Varlamov skizzierte die russische Literaturlandschaft der Gegenwart, die gekennzeichnet ist durch: 
-    Sinkendes Interesse der Leser
-    Fehlende Zensur (zum ersten Mal in der Geschichte)
-    Fehlende Literaturkritik
-    Einzelgängertum der Autoren (während es früher Gruppen gab)
-    Aufblühen dokumentarischer Genres

Als besonders wichtig bezeichnete er Zachar Prilepin, Dmitrij Bykov, Roman Senčin, und Danila Zajcev.

Die Sektion „Sprachvergleich: Linguistische und methodologische Aspekte“ wurde von Prof. Heinrich Pfandl (Graz) geleitet.
Pfandl selbst sprach über die „Worte und Unworte des Jahres“ in verschiedenen Sprachen.
Im Russischen z.B.:
Россия  2007  гламур
2013
Госдура
Евромайдан
Кералк 
Пехтинг
Болотный процесс
Диссернет
Враги православия
Иностранный агент

2014
Крымнаш
Санкции
Бандеровцы
Пятая колонна
Вежливые люди
Банный день  (интернет)   (von „to ban“)

Irena Mikulaco (Pula) widmete ihren Vortrag der juristischen Terminologie im Russischen und Kroatischen am Beispiel von „Schuld und Sühne“.    
Am 18. September nahm ich noch am „Runden Tisch“ „Lehrbuch – Lehrer – Schüler“ teil, der die gegenwärtigen Tendenzen auf diesem Gebiet thematisierte.

Am 18. September fand auch das feierliche Schlussplenum statt, Ljudmila Verbickaja resümierte die wesentlichen Ergebnisse des Kongresses.

Danach allerdings durfte ich noch an der Generalversammlung der MAPRJAL („General´naja Assambleja) teilnehmen, in der das Präsidium mit einigen Veränderungen bestätigt wurde. Festgelegt wurde auch der Veranstalter des 14. Kongresses (2019): Astana (Kasachstan).
Begleitet wurde der Kongress durch einige Ausstellung und ein reichhaltiges Kulturprogramm. Die Qualität der Organisation wurde allgemein hochgelobt.  

Bericht: Dr. Erich Poyntner




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