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Fachvortrag: "Assessment literacy"


Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Stadler hielt am Russischlehrerseminar in Raach am 29.8.2016 einen ganztägigen Fachvortrag zum Thema „Assessment literacy: Bewertungskompetenz stärken“. 

Wolfgang Stadler ist Spezialist für Testen, Lancaster MA für Testing, Professor für Fachdidaktik an der Universität Innsbruck. Er gab anhand der Arbeit mit seinen Studenten einen Einblick in die aktuelle Ausbildung an der Universität und brachte den internationalen Forschungsstand ein.

Für die Lehrer war es wichtig, einen der Professoren für Fachdidaktik Russisch im deutschen Sprachraum zu hören. Wünschenswert wäre, diese Verbindung zwischen Universitäten und Lehrern zu vertiefen – gerade im Bereich des kompetenzorientierten Sprachunterrichts und Testens.

Vorstellung von Literatur

Prof. Stadler stellte den kürzlich erschienenen praxisbezogenen Sammelband „Kompetenzorientierung und Schüleraktivierung im Russischunterricht“ vor, der aus Vorträgen eines Berliner Russischlehrerseminars entstanden ist. Herausgeberin ist Anke Bergmann, Professorin für Fachdidaktik Russisch an der Humboldt-Universität. 

Im deutschen Sprachraum gibt es vier Professuren für Fachdidaktik Russisch: Berlin, Leipzig, Bochum (Juniorprofessur), Innsbruck.

Im Studienbuch „Fachdidaktik Russisch“ (NARR-Verlag) veröffentlichte W. Stadler ein Kapitel zu Evaluation im Russischunterricht mit besonderem Verweis auf integriertes sowie dynamisches Testen. Der Vorteil von integriertem Testen ist der Einsatz von mehreren Fertigkeiten in der gleichen Aufgabe, der Nachteil ist die Schwierigkeit der Bewertung, wenn man z.B. ermitteln möchte, welche Fertigkeit zu wenig entwickelt ist.

Assessment Literacy - Bewertungskompetenz

Der erste Teil des Vortrags und der Lehrerarbeit beschäftigte sich mit Assessment Literacy, das Prof. Stadler mit „Bewertungskompetenz“ übersetzte.

Was macht meine Bewertungskompetenz in Russisch aus? Was fehlt (noch), um bewertungskompetent zu sein?

Die Teilnehmer brachten folgende Themen ein: die eigene Sprachkompetenz; das Erstellen von Benennungsschlüsseln für Fehler; die Verwendung von Farben für unterschiedliche Kategorien der Bewertung (z.B. zwei Farben für A2- Tasks: Aufgabenerfüllung und Sprachrichtigkeit); Transparenz des Bewertungssystems und verlässliche Rückmeldung an Schüler auf Grundlage der Ergebnisse. Lehrer können mit der Beurteilung und ihren verbalen Kommentaren Unterschiedliches in Schülern auslösen.

Die Bewertungskompetenz ist aufgrund folgender Faktoren mit neuen Herausforderungen konfrontiert: zunehmend mehr Tests (schriftliche Reifeprüfung SRP/ Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen GERS, Interesse der Medien; Migration, Assessment  f o r  Learning (Bewerten, um den Lernprozess bei den einzelnen Schülern zu fördern) und Assessment  o f  Learning (SRP – Beurteilung der Sprachfähigkeit eines Schülers unabhängig von Schule und / oder Lerngeschichte) – vgl. die Überlegungen Lev Vygotskijs, eines russischen Psycholinguisten („Sprache-Denken-Handeln; Zone der nächsten Entwicklung“ –  „зона ближайшего развития“) zu dynamischem Testen und Bewerten: Was braucht der Schüler (noch), um ein bestimmtes Ziel zu erlangen? – eine Hilfe stellt dabei der Referenzrahmen dar).

Der Begriff Bewertungskompetenz wurde erstmals 2001 von Brindley verwendet, der die lehrplangekoppelte Bewertung anhand folgender Bereiche beschrieb: Praxis (Kompetenz/Fertigkeiten), Prinzipien, Kontextualisierung (z.B. kommunikatives, handlungsorientiertes Sprachmodell).

Weitere Verweise auf die aktuelle Forschung: Qualitative (Interviews, Bewertungsbögen) und quantitative (Gruppengröße der Befragten) Erforschung der Bewertungskompetenz: Fulcher (2012), Jeong (2013).

Bewertungskompetenz umfasst Fähigkeiten in den Bereichen

  • Auswahl und Entwicklung von Testinstrumenten
  • Durchführung und Auswertung der Tests
  • Interpretation der Testergebnisse, um die Lernenden zum Lernen anzuregen

Prof. Stadler stellte Testspezifikationen zur Gestaltung des Unterrichts und zur optimalen Vorbereitung auf / von Schularbeiten vor, die mit Studenten erarbeitet wurden. Kriterien dabei waren:

  • Testzweck (Achievement test/Schularbeit)
  • Sprachniveau
  • Konstrukte Hören, Lesen, SIK, Schreiben gemäß Referenzrahmen GERS
  • Teilnehmer: Alter, Klasse, Lernjahr, Schultyp
  • Testbeschreibung: Datum, Testanzahl, Dauer, Sprache der Aufgabenstellung (Deutsch oder Zielsprache)
  • Testformate: z.B. Hören – Kurzantworten
  • Lehrstoff: Lehrwerk, behandelte Lektionen/Themenbereiche/Lexik (z.B. Tagesablauf) / Grammatik (z.B. Subst. Dat./Pl.), genauere Angaben zu den Fertigkeiten gemäß dem Lehrstoff des Buchs z.B. Lesen – Emails, Rezepte, Hören – kurze Ansagen verstehen

Im nächsten Schritt erhielt jeder Lehrer eine Schularbeit, die Studenten erstellt hatten, die er zunächst allein löste. Dann wurden die Schularbeiten in Gruppen besprochen und im Plenum diskutiert.

Der zweite Teil des Vortrages war dem Konstrukt von soziopragmatischen Kompetenzen gewidmet: Sprachliche Höflichkeit vs. Grobheit, sprachliche Kennzeichnung sozialer Beziehungen, sprachliches Register (neutral, differenziert), wichtigste Unterschiede zwischen Sitten, Gebräuchen und Werten etc.

Aspekte eines zu entwickelnden Tests aus dem Bereich der Soziopragmatik sollten sein: Grammatikalität, Situationsadäquatheit, Authentizität. Kann man DCT (discourse comletion tasks) schriftlichoder besser doch mündlich – wegen der Intonation –  analysieren? Zweck des Tests: Verstehen Lernende, was gesagt wird, was damit gemeint wird, warum der Gesprächspartner es so gesagt hat und warum er es so sagte, wie er es sagte?

Im Vortrag wurden konkrete Situationen geschildert, auf welche die Seminarteilnehmer situationsadäquate Antworten suchten. Die ausgewählten fünf Testitems, die B1-Niveau überprüfen sollten, sind work in progress und dienten im universitären Unterricht vor allem der Sensibilisierung für und der Reflexion von soziopragmatischen Besonderheiten.

Vortragsunterlagen Teil 1

Vortragsunterlagen Teil 2




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